Bewertung
Steigende Baupreise: Neue Heraus- forderung in der Wertermittlung
Die stark gestiegenen Baukosten beschränken einerseits Ausbaupotenziale und steigern andererseits den Wert der Bestandsflächen. Und im absoluten Topsegment spielen auch die Sanktionen eine Rolle. Die Bewertung von Zinshäusern stellt sich 2022 zwiespältig dar. Einer- seits hat die Covid-19-Pandemie den Markt eher befeuert, andererseits sind die Aussichten spätestens seit Ausbruch der Ukrainekrise nicht uneingeschränkt positiv. So lassen die wegen der stark gestiegenen Bau- preise hohen Kosten für Dachgeschoßausbauten den Wert des berühm- ten Ausbaupotenzials schmelzen, und viele kleinere Ausbauten sind auch in guten Lagen aktuell unrentabel. Hingegen sichern die hohen Baukos- ten den Wert der Bestandsflächen zumindest besser ab oder steigern ihn sogar – hohe Herstellungskosten sind grundsätzlich immer gut für den, der bereits ein Produkt besitzt.
Wolfgang Wagner MRICS Geschäftsführer EHL Immobilien Bewertung GmbH Allg. beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger
„Fakten müssen für Bewerter mehr zählen als Erwartungen.“
Der positive wie der negative Aspekt der hohen Baupreise sind bei einer Stichtagsbewertung zwingend zu berücksichtigen. Die Erwartung, dass das Preisniveau eventuell nicht dauerhaft so hoch bleiben wird, ist zwar nicht irrelevant, aber in einem mathematischen Bewertungsmodell zäh- len in erster Linie die gesicherten Zahlen. Verkäufer und Investor werden aber eine Einschätzung der künftigen Entwicklung vornehmen, und dem- entsprechend können tatsächliche Preise entsprechend abweichen. Neben diesen bedeutenden indirekten Auswirkungen der Ukrainekrise gibt es noch eine viel direktere Folge, allerdings beschränkt sich die wohl auf das absolute Topsegment: Reiche russische Käufer haben oft die Benchmark für die zu erzielenden Preise für sehr hochwertige Dachge- schoßausbauten in Bestlagen gesetzt. Diese Käuferschicht fällt nun auf nicht absehbare Zeit aus, und das wird im Luxussegment nicht ganz ohne Folgen bleiben. Alles in allem eine Marktsituation mit überdurchschnittlich großen Unwägbarkeiten: Der Bewerter hat sich hier umso mehr auf die gesi- cherten Fakten und finanzmathematisch korrekten Berechnungen zu konzentrieren, die Einschätzung letztlich höchst ungewisser künftiger Entwicklungen bleibt den Marktakteuren, also Käufern und Verkäufern, vorbehalten.
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