Bewertung
Gründerzeitobjekte: viel Bewegung bei der Bewertung
Der rasante Zinsanstieg, die hohen Baupreise und der Investitionsbedarf für eine verbesserte Nachhaltigkeit belasten die Bewertungsergebnisse teils erheblich.
Eine zentrale Aufgabe in der Immobilienbewertung stellt die möglichst genaue Abbildung des Marktes im Bewertungsergebnis dar. Bewerter erstellen ihr Zahlenwerk nicht auf Basis von Hoffnungen, son dern objektiv und auf Faktenbasis. Nichtsdestowe niger sind die Bewertungen von Wiener Zinshäu sern aus der Gründerzeit bis zum Vorjahr geradezu unaufhaltsam zu neuen Rekorden gestiegen. Seit Mitte 2022 ist dieser Trend gebrochen: Eine Kombination belastender Faktoren hat dazu ge führt, dass die Bewertungen im Jahr 2023 teilweise sogar erheblich tiefer liegen. Doch auch, wenn die Zahlen erst jetzt eine Abwärtstendenz widerspie geln, so war der Anstieg der Inflation ab Ende 2021 das erste Warnsignal und mit dem Beginn des Ukrai nekriegs, Lieferschwierigkeiten, steigenden Baukos ten und den fortgesetzten Zinsanhebungsschritten der EZB hat sich das Blatt gründlich gewendet.
Die geringe Zahl an Transaktionen hat auch Konse quenzen für die Vorgangsweise bei der Bewertung. Je weniger man sich an real erzielten Preisen für vergleichbare Objekte orientieren kann, desto wichtiger ist die finanzmathematische und betriebs wirtschaftliche Grundlagenarbeit. Bei der Bewertung von Bestandsobjekten, die langfristig gehalten werden sollen, wird in der Regel das Ertragswertverfahren angewandt. Die Rendite und auch der Quadratmeterpreis sind wesentliche Kennzahlen, an denen sich der Markt und somit auch unser Bewertungsansatz orien tiert. Das gestiegene Zinsniveau wirkt sich dabei doppelt aus, zum Ersten in Form höherer Finanzie rungskosten, zum Zweiten in Form höherer Rendi ten, die potenzielle Käufer erwarten. Die allgemei ne Inflation wiederum wirkt werterhöhend, da sie für steigende Erträge sorgt, hingegen belasten die noch höheren Steigerungen bei den Baupreisen das Ergebnis, da Instandhaltung und Sanierung höhere Ausgaben verursachen.
„Wenige Transaktionen erschweren Bewertung “
Am deutlichsten schlägt sich das im Rückgang der Transaktionszahlen nieder. Gab es im 1. Quartal 2022 noch etwa 90 Verkäufe von Zinshäusern oder Zinshausanteilen in Wien, waren es heuer nur mehr 34, also etwa zwei Drittel weniger. Der durchschnitt lich erzielte Quadratmeterpreis ist dabei im Jahres vergleich um rund 10 Prozent gefallen – die Bandbrei te reicht jedoch bis zu minus 30 Prozent, was dramatischer klingt, als es in der Realität ist, da aktuell Topobjekte noch seltener abgege ben werden als Häuser in durchschnittlichen Lagen oder mit anderen Mängeln. Das ist für einen wesentlichen Teil des statistischen Minus verantwortlich.
Mag. Astrid Grantner-Fuchs MSc MRICS Geschäftsführerin EHL Immobilien Bewertung GmbH
Allg. beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige
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