EHL Geschäftsflächenbericht 2025/26

Erfolgsstrategien im österreichischen Einzelhandel

Städte brauchen mehr als Retail

Standort+Markt-Gesellschafter und Prokurist Roman Schwarzenecker über die notwendige Transformation der Handelslandschaft und bürokratische Bremsklötze, die dringend entfernt werden sollten, um den stationären Einzelhandel wieder in Fahrt zu bringen.

Herr Schwarzenecker, geht es dem filialge- bundenen Einzelhandel wirklich so schlecht, wie das in den Publikumsmedien derzeit mit unangenehmer Regelmäßigkeit zu lesen ist? Roman Schwarzenecker, Standort+ Markt: Wir untersuchen im Rahmen unserer Publikation „S+M City Retail Österreich“ jährlich die größten 40 Cities in Österreich. Die Leerstandsquote in den 24 größten Innenstadtbereichen lag 2024 bei 5,5 Prozent, was einen deutlichen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr darstellt. Das ist natürlich unerfreulich, aber bedeutet nicht, dass es dem Einzelhandel generell schlecht geht, vielmehr ist die Situation recht unterschiedlich. Besonders negativ auffällig ist die Entwick- lung in Kleinstädten, wo die Leerstandsquo- te mittlerweile bei 15,6 Prozent liegt. Kleine Bezirkshauptstädte haben also deutlich massivere Probleme als Primär- und Se- kundärstädte. Weiters ist augenfällig, dass sich Städte, die über ein starkes peripheres Angebot verfügen und dazu noch schlecht erreichbar sind – oder in denen das Parken schwierig ist, sich ganz besonders schwer- tun, den innerstädtischen Handel zu halten. Generell aber leidet der Einzelhandel unter

der Konkurrenz des E-Commerce, der insbesondere in cityrelevanten Branchen zwischenzeitlich einen erheblichen Anteil am Konsum ausmacht. Dieser Trend könnte in den kommenden Jahren noch zunehmen. Außerdem orten wir eine gewisse Pendel- bewegung. Wenn der Leerstand zunimmt, verschwinden im nächsten Jahr oftmals Flächen und erfahren eine andere (meist handelsferne) Nutzung. Da diese Flächen „aus der Wertung“ fallen, reduziert sich im nächsten Jahr der Leerstand. Es wäre aber völlig falsch zu glauben, dass sich damit die Situation verbessert hätte. Daher plädiere ich immer darauf, sich die Daten im Detail anzusehen. Ranglisten gereiht nach der Leerstandsquote können da oft irreführend sein.

verlassen, ist zu kurz gegriffen, das zeigen auch die Daten deutlich. Die Gastroflächen haben sich nur minimal erhöht, „Gastro ist the new retail“ hat so nicht stattgefunden. Meiner Ansicht nach haben sich die Städte und deren Hauseigentümer zu lange auf Retail verlassen. Die hohen Mieten verlockten mehr und mehr, Handelsflächen zu schaffen, eine Monostruktur entstand, die uns nun etwas auf den Kopf fällt. Früher waren die Städte deutlich multifunktionaler und boten neben Handel auch andere Nutzungen wie Arztpraxen, Kanzleien, Gewerbe und öffentliche Nutzungen, das zeigen auch Untersuchungen, die bis 1970 zurückreichen. Nun geht der Trend wieder etwas in diese Richtung. Im Vergleich zu vor 50 Jahren verfügen die Städte aber auch nach den letzten Flächenreduktionen über deutlich mehr Retailflächen als zu den Zeiten, die am Beginn unserer Beobachtun- gen standen. Ich hoffe aber nicht, dass wir mit urbanen Strukturen wie vor 50 Jahren rechnen müssen… Bestimmt nicht, obwohl es sicher eine große Herausforderung ist, die Stadtkerne attraktiv zu halten oder in manchen Fällen

Was könnten wirksame Gegenstrategien sein?

Um dem zunehmenden Leerstand und den strukturellen Veränderungen zu begegnen, wird ein „geordneter Rückzug“ aus überflüssigen Shopflächen unvermeidlich sein. Transformationsstrategien könnten dabei helfen, die Leerstände zu minimieren und die Städte funktional umzugestalten. Sich hierbei nur auf die Gastronomie zu

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