Gesamtwirtschaftliches Umfeld
Alles hängt an der Zinswende
Mag. Franz Pöltl FRICS
Geschäftsführender Gesellschafter EHL Investment Consulting GmbH
Die Performance von Zinshäusern war seit mehr als 10 Jahren durch hohen Wertzu- wachs bei gleichzeitig niedrigem Cash-Flow geprägt. Mit Beginn des rasanten Anstiegs der Zinsen ab Mitte 2022 wurden die Finanzierungskosten zum alles beherr-
Zeitpunkt für einen ersten Zinsschritt nach unten. Sollte die EZB diese Hoffnung aber nicht erfüllen, ist von einem Anhalten der aktuell angespannten Situation mit wenigen Transaktionen und Herausforderungen bei der Kreditbedienung auszugehen.
Kaufpreise gegenüber den alten Höchst- ständen zum Teil um mehr als 25 Prozent gefallen sind. Die daraus resultierenden höheren Renditen reichen noch immer nicht aus, um Fremdfinanzierungen im früher üblichen Ausmaß von 75 Prozent und mehr darstellbar zu machen. Der erforderliche Eigenkapitalanteil liegt daher derzeit meist jenseits der 50 Prozent. Betrachtet man die verschiedenen Marktsegmente, so zeigt sich – typisch für herausfordernde Marktsituationen –, dass das Topsegment in den besten Lagen mit Abstand die geringsten Preisrückgänge zu verzeichnen hat. Die beiden großen Verkäufe aus dem Portfolio der insolventen SIGNA-Gruppe, das Apple-Haus in der Kärntner Straße und das Meinl-Haus am Graben, belegen dies eindrucksvoll. Grund dafür ist, dass sich hier eigenkapitalstarke Investoren die Krise zu Nutzen machen und Objekte erwerben, die in „normalen“ Zeiten nicht auf den Markt gekommen wären. Für den breiteren Markt der „Standard- objekte“ in schlechten und durchschnitt- lichen Lagen gilt das hingegen nicht. Hier ist damit zu rechnen, dass eine Erholung nicht erfolgen wird, solange die Fremdkapi- talkosten deutlich höher als die Einstands- renditen sind.
schenden Thema des Zinshaus- markts, da der laufende Ertrag aus der Immobilie in vielen Fällen die Bedienung der Finanzierung nicht mehr deckt. Der Anstieg der Leitzinsen von noch null Prozent Anfang 2022 bis auf 4,5 Prozent im Herbst 2023 hat für variabel finanzierte Eigentümer und Entwickler zu einer Verviel- fachung der Finanzierungskosten
Erst wenn die erhoffte Zins- wende tatsächlich kommt, ist mit einer Stabilisierung der Preise und einer Rückkehr der Investoren in großem Stil zu rechnen.
geführt. Für langfristig finanzierende Investoren fiel der Anstieg wegen der deutlich inversen Zinskurve zwar weniger drastisch aus, aber neue Investitionen sind nur mit einem überdurchschnittlich hohen Eigenmittelanteil darstellbar. Das weitere Schicksal des Zinshausmarkts ist daher in hohem Ausmaß von der Ent- wicklung der Zinsen im Euroraum abhängig. Erst wenn die erhoffte Zinswende tatsäch- lich kommt, ist mit einer Stabilisierung der Preise und einer Rückkehr der Investoren in großem Stil zu rechnen. Aktuell gilt, unter anderem gestützt auf entsprechende Äußerungen von EZB-Ratsmitgliedern, die Jahresmitte 2024 als wahrscheinlichster
Positiv zu vermerken ist, dass die Banken bis jetzt bei laufenden Finanzierungen durchwegs flexibel sind und gemeinsam mit ihren Kunden Lösungen suchen, um allfällige Stress-Situationen bewältigbar zu machen. Das hat zweifellos einen erheb- lichen Anteil daran, dass bisher praktisch keine Notverkäufe stattgefunden haben und der Markt trotz des schwierigen Umfelds bei sehr niedrigen Umsätzen im Wesentlichen stabil geblieben ist. Bei neuen Finanzierungen gibt es hingegen große Zurückhaltung, obwohl einerseits die Mieteinnahmen wegen der hohen Inflation und den damit verbundenen Indexierungen spürbar gestiegen sind, andererseits die
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Zinshausmarktbericht
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