EHL Zinshausmarktbericht Wien | 2024

Marktbericht 2024 | Wien

Wir leben Immobilien.

02

Zinshausmarktbericht

Vorwort

Die langfristige Investmentstrategie erfolg- reicher Immobilieninvestoren erfordert Kontinuität und nachhaltiges Festhalten an den gesetzten Zielen, auch wenn zwischen- durch die Marktentwicklung nicht immer in die gewünschte Richtung zeigt. Kein Markt kann immer nur nach oben gehen, temporäre Preisrückgänge sind in langfris- tiger Betrachtung durchaus normal. Einzig die Entwicklung über mehrere Immobilien- zyklen hinweg ist ausschlaggebend. Derzeit erleben der Zinshausmarkt sowie Entwickler und Investoren das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, dass die Preise tatsächlich nicht immer nur nach oben gehen. Der normale Marktzyklus wird durch eine schwache Konjunktur, Verunsicherung über mögliche Belastungen aus der Energiewende, deutlich gestiegene Zinsen und das ewige „Lavieren“ der Politik bei der Indexierung der Richtwerte noch verstärkt. Dies hat – je nach Lage und Qualität in unterschiedlichem Ausmaß – zu sinkenden Quadratmeterpreisen geführt.

Zweifellos eine herausfordernde Situation für viele Marktteilnehmer, aber keinesfalls ein Grund, um die langfristig ausgerichtete Veranlagung in Zinshäuser generell in Frage zu stellen. Die gestiegenen Zinsen haben allen Immobilienveranlagungen „zugesetzt“, aber zyklusübergreifend sprechen nach wie vor die gleichen Argumente wie in der Vergangenheit für Zinshäuser: die Demografie; denn Wien wächst nach wie vor, die Qualität; denn Zinshäuser bieten eine außergewöhnlich hohe Wohnquali- tät – und die Zentralität; denn die Lagen der historischen Häuser werden durch die flächenmäßige Ausdehnung der Stadt als besonders urban wahrgenommen. Es spricht in langfristiger Betrachtung daher einiges dafür, dass die aktuelle Marktentwicklung lediglich eine „temporäre Delle“ darstellt und die gegenwärtigen Preisrückgänge im nächsten Immobilien- zyklus wieder aufgeholt werden können – auch wenn es noch einige Zeit dauern wird, bis die aktuell herausfordernde Situation überwunden werden kann.

Ihr

Michael Ehlmaier

Wien | 2024

03

Die EHL-Zinshaus- spezialisten: Engagement und Kompetenz

Das Know-how eines der führenden Immobilien- dienstleister in den Bereichen Marktforschung, Immobilienbewertung, Development, Consulting und Wohnungsvermietung sichert Ihnen perfekte Unterstützung bei Ihrer Zinshausinvestition.

Mag. Franz Pöltl FRICS

Dipl.BW Markus Mendel MRICS

Herwig M. Peham MRICS

Geschäftsführender Gesellschafter EHL Investment Consulting GmbH

Geschäftsführer EHL Investment Consulting GmbH

Leitung Investment EHL Investment Consulting GmbH

Thomas Stix

Karina Schunker MA MRICS

Mag. Mario Schwaiger

Senior Consultant EHL Investment Consulting GmbH

Geschäftsführerin EHL Wohnen GmbH

Leitung Einzelhandelsimmobilien EHL Gewerbeimmobilien GmbH

04

Zinshausmarktbericht

Inhalt Vorwort..............................................................................S. 03 EHL-Zinshausspezialisten.................................................. S. 04 Marktentwicklung 2023/24...............................................S. 06 Gesamtwirtschaftliches Umfeld........................................ S. 08 Markttrends.......................................................................S. 10 Wohnungsmarkt.................................................................S. 12 Gewerbeflächen.................................................................S. 15 Bewertung.........................................................................S. 16 Round Table.......................................................................S. 18 Referenzen.........................................................................S. 24 Datenquellen .................................................................... S. 63

Wiener Bezirke im Überblick

1. Bezirk Innere Stadt.........................................................S. 26 2. | 20. Bezirk Leopoldstadt | Brigittenau............................S. 28 3. Bezirk Landstraße......................................................... S. 30 4. Bezirk Wieden................................................................S. 32 5. Bezirk Margareten......................................................... S. 34 6. Bezirk Mariahilf..............................................................S. 36 7. Bezirk Neubau................................................................S. 38 8. Bezirk Josefstadt........................................................... S. 40 9. Bezirk Alsergrund...........................................................S. 42 10. | 11. Bezirk Favoriten | Simmering................................ S. 44 12. Bezirk Meidling.............................................................S. 46 13. | 23. Bezirk Hietzing | Liesing....................................... S. 48 14. Bezirk Penzing............................................................. S. 50 15. Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus.......................................S. 52 16. Bezirk Ottakring.......................................................... S. 54 17. Bezirk Hernals...............................................................S. 56 18. | 19. Bezirk Währing | Döbling........................................S. 58 21. | 22. Bezirk Floridsdorf | Donaustadt............................ S. 60

Verena Hammerschick MA

Head of Transaction Advisory EHL Investment Consulting GmbH

Mag. Astrid Grantner-Fuchs MSc MRICS

Geschäftsführerin EHL Immobilien Bewertung GmbH

Wien | 2024

05

Marktentwicklung 2023/24

Umsatzflaute und Preisdruck

Die anhaltend hohen Zinsen haben erhebliche negative Auswirkungen auf den Zinshausmarkt: Die Transaktionsvolumina sind 2023 gegenüber 2022 um rund 57 Prozent zurückgegangen, auch die Investitionen in den Ausbau von Dachböden sind stark gesunken. Die Preissenkungen sind zwar wesentlich moderater ausgefallen, dennoch beträgt das Minus im Vergleich zu den Höchst-

Zu nennen sind hier insbesondere der Verkauf des „Adlerhofs“ durch die S IMMO an Thalhof Immobilien sowie der Verkauf des Apple-Hauses (Kärntner Straße 11) und des Meinl-Hauses (Am Graben 19) durch die SIGNA-Gruppe. Der Handel mit kleineren Objekten bis etwa 6 Mio. Euro ist im Verhältnis zum Gesamtmarkt zwar in der Anzahl gestiegen, die Preise pro Zinshaus haben aber tendenziell stärker nach- gelassen als im großvolumigen Bereich.

Dass dies im Mai 2023 und damit recht knapp vor Erreichen des (Leit-)Zinsgipfels gelang, war das vielleicht positivste Signal für den Zinshausmarkt im gesamten Vorjahr und zeigt, dass sich zumindest das Top- segment weitgehend stabil halten kann. Eine gewisse Entlastung brachten auch die einigem Widerstand zum Trotz erfolgten Indexierungen der Richtwertmieten, die pri- mär für das Zinshaussegment relevant sind. Das Plus von 8,6 Prozent im April 2023 trug erheblich zur Stärkung der Ertragslage und damit zur Schuldendeckungsfähigkeit der Zinshausinvestoren bei. Im Hinblick auf die in den kommenden Jahren erforderliche Liquidität ist auch die Entschärfung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes, das nun doch keinen verpflichtenden Austausch von fossilen Heizsystemen (insbesondere Gas) vorsieht, positiv.

werten, abhängig von Lage und Objekt, in der Regel zwischen 5 und 35 Prozent. Stabil blieben lediglich Spitzenobjekte, die in der Regel unter extrem langfristigen Gesichtspunkten er- worben werden und deren Preise weniger stark von der aktuellen Marktsituation beeinflusst sind.

Mit zunehmender Dauer der aktuellen Situation geraten immer mehr Marktteilnehmer unter Liquiditätsdruck.

Einen bemerkenswerten Preis erzielte das Apple-Haus, wurde doch mit 31.000 Euro/ m² der bisher höchste Quadratmeterpreis für ein historisches Gesamtobjekt in Wien erzielt.

Obwohl sich die Rahmenbedingungen im Vergleich zu 2022 nicht signifikant ver- schlechtert haben, hat die Erkenntnis, dass hohe Zinsen, hohe Inflation und eine schwa- che Konjunktur nicht schnell abklingen werden, die Stimmung am Markt nachhaltig gedämpft. Mit zunehmender Dauer der aktuellen Situation geraten immer mehr Marktteilnehmer unter Liquiditätsdruck. Die erwarteten besonders günstigen Notver- käufe, auf die potenzielle Käufer gehofft hatten, sind bisher kaum eingetroffen. Bei detaillierter Betrachtung fällt auf, dass das Transaktionsvolumen überwiegend auf wenige Großtransaktionen entfällt.

Kaufpreise in EUR/m 2 6.800–12.000

2.800–7.400 1.700–6.500 1.200–3.900

Quelle: EHL Market Research | Q2 2024 Kaufpreise in EUR/m²

06

Zinshausmarktbericht

Transaktionsvolumen in Mio. EUR Zinshäuser + Zinshausanteile

2.500

2.000

2.400

2.200

1.500

1.750

1.650

1.000

1.400

1.350

950

500

0

2017 2018

2019

2020

2021

2022

2023

Anzahl der Transaktionen | Zinshäuser

500

400

300

340

333

312

306

306

200

267

100

155

0

2017 2018

2019

2020

2021

2022

2023

Anzahl der Transaktionen | Zinshausanteile

500

400

300

200

208

197

192

100

168

163

148

105

0

2017 2018

2019

2020

2021

2022

2023

Die verarbeiteten Daten beziehen sich auf die bis 2023 grundbücherlich erfassten Transaktionen (Asset Deals/ Share Deals). Abweichungen zu den Vorjahren können sich durch nachträgliche Eintragungen ergeben.

Wien | 2024

07

Gesamtwirtschaftliches Umfeld

Alles hängt an der Zinswende

Mag. Franz Pöltl FRICS

Geschäftsführender Gesellschafter EHL Investment Consulting GmbH

Die Performance von Zinshäusern war seit mehr als 10 Jahren durch hohen Wertzu- wachs bei gleichzeitig niedrigem Cash-Flow geprägt. Mit Beginn des rasanten Anstiegs der Zinsen ab Mitte 2022 wurden die Finanzierungskosten zum alles beherr-

Zeitpunkt für einen ersten Zinsschritt nach unten. Sollte die EZB diese Hoffnung aber nicht erfüllen, ist von einem Anhalten der aktuell angespannten Situation mit wenigen Transaktionen und Herausforderungen bei der Kreditbedienung auszugehen.

Kaufpreise gegenüber den alten Höchst- ständen zum Teil um mehr als 25 Prozent gefallen sind. Die daraus resultierenden höheren Renditen reichen noch immer nicht aus, um Fremdfinanzierungen im früher üblichen Ausmaß von 75 Prozent und mehr darstellbar zu machen. Der erforderliche Eigenkapitalanteil liegt daher derzeit meist jenseits der 50 Prozent. Betrachtet man die verschiedenen Marktsegmente, so zeigt sich – typisch für herausfordernde Marktsituationen –, dass das Topsegment in den besten Lagen mit Abstand die geringsten Preisrückgänge zu verzeichnen hat. Die beiden großen Verkäufe aus dem Portfolio der insolventen SIGNA-Gruppe, das Apple-Haus in der Kärntner Straße und das Meinl-Haus am Graben, belegen dies eindrucksvoll. Grund dafür ist, dass sich hier eigenkapitalstarke Investoren die Krise zu Nutzen machen und Objekte erwerben, die in „normalen“ Zeiten nicht auf den Markt gekommen wären. Für den breiteren Markt der „Standard- objekte“ in schlechten und durchschnitt- lichen Lagen gilt das hingegen nicht. Hier ist damit zu rechnen, dass eine Erholung nicht erfolgen wird, solange die Fremdkapi- talkosten deutlich höher als die Einstands- renditen sind.

schenden Thema des Zinshaus- markts, da der laufende Ertrag aus der Immobilie in vielen Fällen die Bedienung der Finanzierung nicht mehr deckt. Der Anstieg der Leitzinsen von noch null Prozent Anfang 2022 bis auf 4,5 Prozent im Herbst 2023 hat für variabel finanzierte Eigentümer und Entwickler zu einer Verviel- fachung der Finanzierungskosten

Erst wenn die erhoffte Zins- wende tatsächlich kommt, ist mit einer Stabilisierung der Preise und einer Rückkehr der Investoren in großem Stil zu rechnen.

geführt. Für langfristig finanzierende Investoren fiel der Anstieg wegen der deutlich inversen Zinskurve zwar weniger drastisch aus, aber neue Investitionen sind nur mit einem überdurchschnittlich hohen Eigenmittelanteil darstellbar. Das weitere Schicksal des Zinshausmarkts ist daher in hohem Ausmaß von der Ent- wicklung der Zinsen im Euroraum abhängig. Erst wenn die erhoffte Zinswende tatsäch- lich kommt, ist mit einer Stabilisierung der Preise und einer Rückkehr der Investoren in großem Stil zu rechnen. Aktuell gilt, unter anderem gestützt auf entsprechende Äußerungen von EZB-Ratsmitgliedern, die Jahresmitte 2024 als wahrscheinlichster

Positiv zu vermerken ist, dass die Banken bis jetzt bei laufenden Finanzierungen durchwegs flexibel sind und gemeinsam mit ihren Kunden Lösungen suchen, um allfällige Stress-Situationen bewältigbar zu machen. Das hat zweifellos einen erheb- lichen Anteil daran, dass bisher praktisch keine Notverkäufe stattgefunden haben und der Markt trotz des schwierigen Umfelds bei sehr niedrigen Umsätzen im Wesentlichen stabil geblieben ist. Bei neuen Finanzierungen gibt es hingegen große Zurückhaltung, obwohl einerseits die Mieteinnahmen wegen der hohen Inflation und den damit verbundenen Indexierungen spürbar gestiegen sind, andererseits die

08

Zinshausmarktbericht

Zinshausmarkt nach Käufern

2 %

37 %

61 %

Projektentwickler Stiftungen & Private Banken & Versicherungen

Zinshausmarkt nach Transaktionsvolumen pro Objekt

5 %

9 %

28 %

11 %

> 10 M EUR 6-10 M EUR 4-6 M EUR 1-2 M EUR 2-4 M EUR >1 M EUR

26 %

21 %

Die verarbeiteten Daten beziehen sich auf die bis 2023 grundbücherlich erfassten Transaktionen (Asset Deals/ Share Deals). Abweichungen zu den Vorjahren können sich durch nachträgliche Eintragungen ergeben.

Wien | 2024

09

Marktrends

Grüne Straßen als Investmentchance

Herwig M. Peham MRICS

Leitung Investment EHL Investment Consulting GmbH

Die „Nähe zu Grün- und Erholungsgebie- ten“ ist ein geradezu klassisches Lage- kriterium – vor allem in den dichtverbauten Wohnlagen, in denen sich der Bestand an Zinshäusern in Wien konzentriert, sieht es damit aber oft nicht allzu gut aus. Für die Lebensqualität in einem Grätzl und damit auch für die mittel- und langfristigen Invest- mentperspektiven eines Standorts haben daher kleine Grünoasen in der unmittel- baren Nähe umso größere Bedeutung. Diese Grünflächen entstehen derzeit vor allem im Straßenbereich. Im Rahmen des Programms „Raus aus dem Asphalt“ werden in der laufenden Legislaturperiode 100 Mio. Euro in Straßen-

und am Christian-Broda-Platz beim West- bahnhof starten, dazu kommen zahlreiche Straßen mit eher lokaler Bedeutung wie die Argentinierstraße oder die Bernardgasse. Für den Immobilienmarkt eröffnen diese Maßnahmen neue Chancen: Ein Blick ins Grüne, die lärmdämpfende Wirkung von Bäumen und die kühlende Wirkung von Bepflanzungsmaßnahmen sind mittlerweile eindeutig und in erheblichem Maß wert- steigernd für Wohnungen und Zinshäuser in innerstädtischen Lagen.

Als Faustregel für Investoren gilt dabei, dass die positiven Effekte von Begrünungs- und Verkehrsberuhigungsmaßnahmen umso stärker ausfallen, je weniger attraktiv eine Wohnlage aktuell ist. Zuletzt sind gera- de diese Lagen preislich zunehmend unter Druck geraten, daher gibt es aber eben bereits besonders interessante Einstiegs- möglichkeiten. Einen „Masterplan“ für weitere Begrü- nungsmaßnahmen gibt es nicht, vielmehr verweist die Stadt auf die Mitwirkungs- möglichkeiten der Bezirke. Investoren, die diese Potenziale nutzen wollen, sollten daher verschiedene Informationsquellen nutzen – wo werden Bürgerbeteiligungsver- fahren gestartet, welche Wünsche werden von den Bezirken an die Stadt herangetra- gen, wo sind Fahrradstraßen geplant, etc. Das umfassende Know-how eines profes- sionellen Immobilienberaters kann sich hier besonders durch Informationsvorsprung bezahlt machen und eigene zeitaufwendige Recherchearbeit ersparen.

Wenn im nahen Umfeld eines Standorts umfangreiche Begrünungen von Straßen geplant sind, eröffnet das für Investoren und Entwickler attraktive Möglichkeiten.

begrünungen investiert. Dieses Investitionsvolumen ermöglicht nicht nur vereinzelte Pilotprojek- te, sondern durchaus groß- angelegte Umgestaltungen, die den Charakter von Mikrolagen

deutlich verändern. Aktuelle Beispiele für die Neugestaltung wichtiger Durchzugs- straßen sind etwa die Praterstraße oder die Wiedner Hauptstraße oder auch der Verkehrsknotenpunkt Julius-Tandler-Platz, wo im Frühjahr mit Bodenentsiegelung und der Pflanzung von 40 zusätzlichen Bäumen begonnen wurde. Ab Sommer 2024 sollen Arbeiten in der Äußeren Mariahilfer Straße

Wenn im nahen Umfeld eines Standorts umfangreiche Begrünungen von Straßen (meist auch mit Verkehrsberuhigung sowie mehr Freiraum für Fußgänger und mehr Platz für Fahrräder verbunden) geplant sind, eröffnet das für Investoren und Ent- wickler daher attraktive Möglichkeiten.

10

Zinshausmarktbericht

© Carl Anders Nilsson

Zinshaus-Marktrenditen in den Wiener Bezirken

4 %

4 %

3 %

3 %

2 %

2 %

1 %

1 %

0 %

0 %

Quelle: EHL Market Research | Q2 2024

Wien | 2024

11

Wohnungsmarkt

Der Wohnungsneubau ist bereits stark zurückgegangen und 2025 sowie 2026 droht ein noch deutlicherer Einbruch. Für Eigentümer und Verkäufer von Bestands- wohnungen eröffnen sich daraus neue Chancen – aktuell besonders in der Vermietung und in den kommenden Monaten auch wieder verstärkt im Verkauf. Neubauschwäche bringt neue Chancen für den Bestand

Karina Schunker MA MRICS

Geschäftsführerin EHL Wohnen GmbH

Konjunkturflaute, rasche Zinsanstiege und hohe Baupreise haben für die Immobilien- wirtschaft ein geradezu toxisches Umfeld geschaffen. Besonders der Neubau ist damit stark unter Druck geraten. Die Zahl der Projektstarts bricht rapide ein, das geht in weiterer Folge mit empfindlichen

und damit auf nur mehr etwa die Hälfte der Zahlen aus 2021 gesunken. Der Rückgang der Baubewilligungen bedeutet zugleich weniger Baustarts, was sich ab 2025 und besonders auch in den Folgejahren 2026 und 2027 auf die Fertigstellungszahlen auswirken wird.

fertiggestellten Wohneinheiten sogar unter der ohnehin sehr geringen Anzahl an Baugenehmigungen liegen wird. Somit erreicht die Wohnungsproduktion in den kommenden Jahren ein Niveau deutlich unter dem strukturellen Neuflächenbedarf, der durch den weitgehend zum Erliegen gekommenen Dachbodenausbau im Altbau noch verschärft wird. So problematisch diese Entwicklung aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist, so ist sie für Bestandshalter doch eine gute Nach- richt: Die Mieten sind deutlich gestiegen, die Leerstände gesunken und in praktisch allen Lagen und Preissegmenten sind die Vermarktungszeiten kürzer als in den Vorjahren. Am Zinshausmarkt mit seinen MRG-ge- regelten Mieten profitieren davon vor allem Standorte, an denen dank Lagezuschlägen marktkonforme Mieten lukriert werden können, wie unter anderem Zentrumslagen

Rückgängen der Fertigstellungen einher. Insgesamt werden 2024 etwa 13.390 Wohneinheiten fertiggestellt werden, bei den aktuell besonders gefragten freifinanzierten Mietwohnungen kommt es zu einem Rückgang um mehr als die Hälfte auf nur mehr ca. 2.840 Einheiten: Das ist der niedrigste Wert seit sieben Jahren.

Die Mieten sind im Bestand deutlich gestiegen, die Leer- stände gesunken und in praktisch allen Lagen und Preissegmenten sind die Ver- marktungszeiten kürzer als in den Vorjahren.

Der Abwärtstrend ist damit aber noch nicht zu Ende. Die mittelfristige Ent- wicklung erscheint noch schwieriger, sind doch 2023 die Baubewilligungen für neue Wohnprojekte auf nur mehr ca. 10.545

Zahlreiche Bauträger haben bereits fix geplante Projekte verschoben oder auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Daher ist damit zu rechnen, dass die Zahl der

12

Zinshausmarktbericht

50.504

Fertiggestellte Wohnungen vs. Bevölkerungszuwachs

20.000

20.000

20.284

19.435

18.022

15.600

15.280

15.000

15.000

16.309

13.230

3.494

4.566

4.182

10.000

10.000

9.770

5.396

3.523

5.930

2.551

5.810

5.000

5.000

2.748

3.411

6.731

6.497

4.784

1.565 834

3.499

0

0

2022

2023

2024*

2025*

2026**

Eigentum

Miete freifinanziert

Miete gefördert

Quelle: EHL/Exploreal, 02 2024 | Stadt Wien, 11 2023 *Prognose, **Aktuell bekannt Bevölkerungszuwachs

und Standorte mit sehr guter Infrastruktur. So lässt etwa der Lagezuschlag von teils 16 Euro in großen Teilen der Innenstadt attrak- tive Mieten erzielen. Auch deutlich über 14 Euro Nettomiete in zentrumsnahen Teilen wie beispielsweise der Josefstadt oder Wieden liegen dem freien Mietzins sehr nahe. An Standorten mit geringem oder keinem Lagezuschlag ermöglicht die starke

Mietnachfrage zwar keine Mehrerträge, aber immerhin geht das Vermietungsrisiko weiter zurück und es gibt dort praktisch keine verwertungsbedingten Leerstände. Der Verkauf von Eigentumswohnungen ist für Zinshauseigentümer sehr attraktiv, wenn auch die derzeitige Nachfrage aufgrund des aktuellen Zinsniveaus

gedämpft ist. Bei einer Trendwende – die mit Ende des Jahres realistisch erscheint – könnten Altbauwohnungen aber ihr großes Comeback haben und wegen des sich verschärfenden Mangels an Neubau- wohnungen besonders stark profitieren. Das Produkt der Altbauwohnung liegt bei Eigentumswohnungssuchenden nach wie vor im Trend.

Was das Wohnbaupaket für Zinshäuser bringt

Das Wohnbaupaket, mit dem zwar primär der Neubau angekurbelt werden soll, bringt auch für Bestandsobjekte Vorteile. Die für Zinshäuser bedeu- tendste Maßnahme ist die steuerliche

Begünstigung von energetischer Sani- erung und Heizungstausch – bei Wohn- raumschaffung durch Dachbodenausbau kommt für drei Jahre eine erhöhte AfA zur Anwendung. Die Streichung von

Kaufnebenkosten wie die Grundbuchs- und Pfandrechtseintragung für einen großen Teil der Wohnungskäufer stellt eine Erleichterung beim Abverkauf von Wohnungen dar.

Wien | 2024

13

Wohnungsmarkt

Lagezuschlag und Plus für Ausstattungsmerkmale – wie Altbaumieten optimiert werden können

Die Beschränkung der Miethöhe durch den Richtwert wird durch die Möglichkeit von Lagezuschlägen erheblich gemildert. Doch nicht nur der vom Standort abhän- gige Lagezuschlag bringt die Möglichkeit zusätzlicher Mieteinnahmen, sondern auch besondere Ausstattungsmerkmale der Wohnung und des Gesamtobjekts schlagen sich in einer höheren zulässi- gen Miete nieder.

Beispiele dafür sind: • eine zweite Toilette • Waschmaschinenanschluss • Freifläche (Balkon) • zentrales Heizungssystem • Anschlüsse für die Telekommunikation Grundsätzlich kann die zulässige Miete durch gezielte Investitionen daher pos- itiv beeinflusst werden, damit korrekt und rechtlich gesichert umzugehen, erfordert aber Expertise oder fachliche Beratung.

Parallel zur Neubauschwäche ist auch die Schaffung von zusätzlichem Wohn- raum im Bestand stark zurückgegangen. Dachbodenausbauten rentieren sich in der aktuellen Marktsituation nur in sehr guten Lagen und Sanierungen bestehender Wohnungen werden auf- grund gesetzlicher Änderungen, wie beispielsweise die Wertanpassung der Richtwertmieten, derzeit nur noch selten durchgeführt.

Preisentwicklung Miete vs. Eigentum, Erstbezug 2015-2024

15,00

6.900

14,00

6.200

13,00

5.500

12,00

4.800

11,00

4.100

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

2022 2023 2024

Miete

Eigentum

*Ausgenommen 1010 Wien

Quelle: Erster Wiener Wohnungsmarktbericht | 02 2024

14

Zinshausmarktbericht

Gewerbeflächen

Beschleunigter Strukturwandel

Mag. Mario Schwaiger

Leitung | Einzelhandelsimmobilien EHL Gewerbeimmobilien GmbH

Am Einzelhandel und an der Gastronomie gingen die schwache Konjunktur und die Konsumzurückhaltung der Verbraucher nicht spurlos vorbei. Dies hat zu vermehrten Mieterwechseln und erhöhtem Druck auf die Mietpreise in den Erdgeschossflächen von Mietshäusern in erstklas- sigen Lagen geführt. In weniger attraktiven Lagen wird die Suche nach alternativen Nutzungsmöglichkeiten zuneh- mend dringend.

Abseits der großen, frequenzstarken Ein- kaufsstraßen stellen gewerblich genutzte Erdgeschossflächen derzeit eine Heraus- forderung dar. Konjunkturschwäche und Konsumzurückhaltung haben die Situation in den vergangenen zwei Jahren noch verschärft und führen zu einem beschleu- nigten Strukturwandel und weiter rückläufi- gem Flächenbedarf im Einzelhandel.

gen oder Vertragsverlängerungen immer noch zufriedenstellende Konditionen erzielt werden. Generell finden sich für gute Lagen in den Bezirken innerhalb des Gürtels, in Favoriten nahe dem Hauptbahnhof und in den west- lichen Gürtelbezirken von 1160 bis 1190 zufriedenstellend viele Interessenten, in den anderen Bezirken sind derzeit auch gute Lagen schwer zu vermarkten.

Bei entsprechendem Umfeld können Erdgeschoße erfolgreich in Büroflächen umgewandelt werden, vor allem junge Unternehmen und Firmen aus der Kreativ- branche sind dafür offen. Ein Kapitel für sich ist Kurzfristwohnen, das meist unter dem Schlagwort Airbnb abgehandelt wird. Wenn dies an einem Standort zulässig ist und auch die techni- schen Anforderungen (insb. Installationen, moderne Heizung) erfüllbar sind, können hiermit vor allem in der Nähe von U-Bahns- tationen und/oder touristischen Hotspots sehr zufriedenstellende Erträge erzielt wer- den. Erscheint keine dieser Möglichkeiten realistisch, sollten Möglichkeiten gesucht werden, die Erdgeschossflächen zumindest für die Wohnungsmieter des Zinshauses zu nutzen. Ebenerdige Lagerflächen und Ab- stellräume für Hausbewohner mögen zwar nur begrenzte Mieteinnahmen generieren, aber sie erfordern geringe Investitionen und können sich durch eine Aufwertung der Wohnungen zusätzlich bezahlt machen.

Für Zinshaus- investoren ergeben sich daraus unterschied- liche Folgen: Praktisch

Praktisch unbeeinträch- tigt ist die Attraktivität der absoluten Bestlagen in der Innenstadt.

Besonders heraus- fordernd gestaltet sich die Situation in Nebenlagen bzw.

unbeeinträchtigt ist die Attraktivität der absoluten Bestlagen in der Innenstadt, wie insbesondere im Goldenen U, Kärntner Straße – Graben – Kohlmarkt. In anderen gut etablierten Einkaufsstraßen, wie etwa Mariahilfer Straße oder Landstraße kommt es zwar häufiger zu Mieterwechseln, aber in einigen Fällen können bei Neuvermietun-

Stadtteilen, die generell wenig Relevanz für Einzelhandel und Gastronomie haben. Hier wird eine ungeschönte Marktanalyse häufig ergeben, dass es sinnvoller ist, nach Alternativnutzungen zu suchen, anstatt mit Niedrigmieten oder sogar Investitions- zuschüssen klassische Einzelhändler oder Gastronomiebetriebe anzulocken.

Wien | 2024

15

Bewertung

Wertermittlung in einem erratischen Marktumfeld

Mag. Astrid Grantner-Fuchs MSc MRICS

Geschäftsführerin EHL Immobilien Bewertung GmbH

Vergleichswerte sind die Basis jeder Immobilienbewertung. Ausgehend vom tatsächlich für A erzielten Preis unter Berücksichtigung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden den Wert von B zu ermitteln, ist die Arbeit kompetenter Bewerter. Wenn aber, wie aktuell der Fall, immer wieder rational kaum erklärliche Preisunterschiede existieren, hat das zwangsläufig einige Unwägbarkeiten zur Folge.

Jahrelang, ja beinahe jahrzehntelang, lebten wir in einem Markt steigender Zinshauspreise. Viele der etwas jüngeren Marktteilnehmer, darunter natürlich auch Bewerter, kannten bis vor knapp zwei Jah- ren gar keine andere Marktsituation. Eine sich selbst befeuernde Preisentwicklung – die Erwartung, dass der Preis morgen

allgemeiner Verunsicherung, die auch die Immobilienbewertung vor große Heraus- forderungen stellt. Schließlich ist es ihre Kernaufgabe, potenziellen Käufern und Verkäufern sowie finanzierenden Stellen möglichst verlässliche Auskunft über den „wahren Wert“, also den Marktpreis eines Zinshauses, zu liefern.

daten auf dem Wiener Zinshausmarkt: Für Objekte, die im Hinblick auf Lage, bauliche Qualität, laufende Erträge und Ertragspotenzial vergleichbar sind, werden teilweise so unterschiedliche Preise be- zahlt, dass diese rational eigentlich kaum mehr erklärbar erscheinen. Die Kaufpreise von vergleichbaren Objekten im gleichen Straßenzug wichen 2023 und 2024 bis zu 50 Prozent voneinander ab. Hintergrund dieser erratisch wirkenden Marksituation sind die völlig unterschied- lichen Zugänge verschiedener Investoren- gruppen zum Zinshausmarkt. Einerseits setzen eigenkapitalstarke Investoren wie Family Offices nach wie vor auf das Konzept „Betongold“ und den Quadrat- meterpreis, der meist deutlich unter den Quadratmeterpreisen der einzelnen Wohnungen eines Zinshauses liegt.

ohnehin noch höher sein werde, trieb unabhängig von Kennzahlen wie insbesondere der Mietrendite schon heute den Preis nach oben – und die Niedrigzinssituation machten es für viele Jahre scheinbar überflüssig, sich mit der Möglichkeit von Preis- und Wertkorrekturen zu befassen.

Für Objekte, die vergleich- bar sind, werden teilweise so unterschiedliche Preise bezahlt, dass diese rational eigentlich kaum mehr er- klärbar erscheinen.

Dass diese Zeiten nun vorbei sind, ist evident. Doch folgte den

stürmischen Preisanstiegen keine ruhigere Phase, sondern vielmehr eine Situation

Warum das derzeit so schwierig ist, zeigt schon ein Blick in die Transaktions-

16

Zinshausmarktbericht

Wieder mehr Vergleichstransaktionen

Auch wenn momentan noch die bes- chriebene, von Unsicherheiten geprägte Situation vorherrscht, so beginnen sich die Nebel doch langsam zu lichten. Die Zahl der Transaktionen steigt und diese liefern Gutachtern die Benchmarks für Bewertungen, obwohl diese zuvor noch einer besonders kritischen Über-

prüfung bedürfen. War es in jüngster Vergangenheit immer wieder notwendig, sogar geplatzte Deals zu nutzen, um zumindest notdürftig den Marktwert eines Zinshauses eingrenzen zu können, so ist wenigstens das jetzt nicht mehr erforderlich.

Der seit Mitte 2022 teilweise vorherr- schende übertriebene Pessimismus der Marktteilnehmer weicht zunehmend einem kritischen Realismus, was die Er- stellung gut abgesicherter, evidenzbasi- erter Bewertungen mit einer geringeren Preisspanne erleichtern wird.

Außerdem werden die indexangepassten Mieten – soweit es kein Hineingrätschen der Politik gibt – als sicherer Inflations- schutz angesehen. Andererseits sehen wir aber auch das Comeback der Rendite. Wer eine

Es sind also weder die Erwartungen der Verkäufer noch die Bereitschaft der Käufer, diese zu akzeptieren, homogen.

schlossen werden soll oder muss. Gibt es keinen Zeitdruck, ist die Orientierung am „Betongold-Konzept“, also am (höheren) langfristigen Wert, definitiv zulässig. Ist ein Verkauf zwingend erforderlich, zählt in der Regel eher der (niedrigere) Ertragswert. In der Praxis bedeutet das, dass ein Verkehrswertgutachten derzeit besonders wichtig ist, um trotz der breiten Streuung der derzeit am Markt bezahlten Preise einen für beide Seiten vertretbaren Preis zu finden. Die Einbindung eines kompetenten und neutralen Gutachters ist gerade jetzt von immensem Vorteil und unbedingt anzuraten, denn mit einem Verkehrswert- gutachten kann die Bandbreite eines mög- lichen Preises eingegrenzt und auf Basis objektiver Kriterien verhandelt werden.

Es sind also weder die Erwar- tungen der Verkäufer, noch die Bereitschaft der Käufer, diese zu akzeptieren, homo- gen.

Akquisition zu einem wesent- lichen Teil fremdfinanzieren

muss, für den kommen nur mehr Objekte mit ausreichend hohem Cashflow für die Bedienung der Kredite in Frage – und das ist nur bei deutlich niedrigeren Preisen der Fall, als manch eigenkapitalstarke Käufer auch heute zu bezahlen bereit sind. Zudem wird das Ausbaupotenzial am Markt noch recht unterschiedlich als Preisfaktor berücksichtigt, allerdings geht hier der Trend klar dazu, möglichen Ausbauten keinen oder sehr geringen Wert beizu- messen.

Wenn die objektiven Kriterien wie Lage, Bauzustand oder Ertrag gleich sind, müssen subjektive Kriterien für die teils massiven Preisunterschiede verantwortlich sein. Auf Verkäuferseite ist das wesentlichste „subjektive“ Kriterium der Zeithorizont, innerhalb dessen ein Verkauf abge-

Wien | 2024

17

Round Table

Schwere Zeiten, aber Anzeichen für einen baldigen Aufschwung verdichten sich Ausgestanden ist die Krise wahrscheinlich noch nicht, aber die Talsohle sollte bald erreicht sein, so die einhellige Expertenmeinung beim EHL-Round-Table-Gespräch zum Wiener Zinshausmarkt. Doch Besserung ist in Sicht und die ersten Anzeichen einer Erholung sollten sich ab 2025 zu einem zarten Aufschwung verdichten. Den Startschuss dazu muss aber die EZB geben – und er sollte nicht allzu leise ausfallen.

© Roland Rudolph

Wenn wir im Frühjahr 2024 über Zinshaus- markt reden, müssen wir wohl oder übel zuallererst über Finanzierungen, Zinsen und Eigenkapitalquoten reden. Daher die Frage an den Banker in der Runde – will überhaupt noch jemand Geld von Ihnen, um in Zinshäu- ser zu investieren? Gerhard Humer, Leiter der Immobilienpro- jektfinanzierung an der Raiffeisenlandes- bank Oberösterreich: Die Nachfrage nach Finanzierungen ist weiterhin gegeben. Aber natürlich ist sie geringer, weil Fremdkapital deutlich teurer geworden ist und wir auch höhere Eigenkapitalquoten verlangen müs- sen. Bei einem Projekt, bei dem wir früher z.B. 20 Prozent Eigenkapital gebraucht haben, sind es jetzt zumindest 40 Prozent.

Franz Pöltl, Geschäftsführender Gesell- schafter der EHL Investment Consulting: Hier hat es zweifellos eine Zäsur gegeben. Die Investoren, die vor wenigen Jahren noch mit einem sehr geringen Eigenkapital- anteil agiert haben, sind in der aktuellen Marktsituation völlig abgetaucht. Das Geschäftsmodell Zinshaushandel im Sinne von Ausnützen der stetig steigenden Preise – also kaufen, postwendend einen neuen Käufer suchen und nach ein paar Monaten mit Profit auszusteigen – ist durch den Zinsanstieg völlig zum Erliegen gekommen. Dafür sehen wir gerade für Objekte in guten und sehr guten Lagen wieder immer öfter eigenkapitalstarke, langfristig orientierte Investoren, die sich nicht über Finanzierungen den Kopf zerbrechen

Das ist auch ganz logisch, weil sich jetzt eben mit den gleichen Mieteinnahmen nur mehr ein kleinerer Fremdkapitalanteil refinanzieren lässt. Gerhard Tüchler, Geschäftsführer der Tecto Immobiliengruppe: Das klingt in der Form noch harmlos, aber in der Praxis schaut das dann so aus, dass von den jähr- lichen Mieteinnahmen zuerst einmal pro Quadratmeter bis zu 1,90 Euro monatlich als Bewirtschaftungskosten abgezogen werden und auf einmal sind dann schon 60 bis 70 Prozent Eigenkapitalquote gefordert. Unter solchen Umständen verliert ein Immobilienunternehmer offen gestanden jedes Interesse an einem neuen Invest- ment.

18

Zinshausmarktbericht

müssen, sondern es als Chance sehen, dass auch Spitzenobjekte wieder auf den Markt kommen. Und zwar zu merklich günstigeren Konditionen als vor zwei oder drei Jahren. Michael Schmidt, Geschäftsführender Gesellschafter der 3SI Immogroup: Dieser Rückgang ist evident, aber es gibt die Käufer, die vom Produkt Zinshaus über- zeugt sind, langfristig exzellente Portfolios aufbauen wollen und der Anfangsrendite keine allzu große Bedeutung beimessen. Das ist ein gutes Zeichen und zeigt, dass die Talsohle durchschritten ist. Und es ist eine große Chance an gute Häuser zu kommen. Und noch etwas: Wir als 3SI können auch jetzt noch Zinshäuser mit 90

Prozent Fremdkapital einkaufen. Die meis- ten Banken finanzieren uns noch immer Zinshäuser und dies durchaus mit hohen Fremdkapitalquoten, weil das Kriterium nicht nur das Verhältnis von Mietertrag zu Finanzierungskosten ist, sondern man auch den Substanzwert sehen muss und der liegt bei den momentanen Einkaufspreisen

sogar sehr günstigen Preis pro Quadrat- meter im Ankauf bezahlen. Wir haben keinen „schlechten Markt“, wir müssen nur ein anderes Geschäftsmodell umsetzen. Jedes Zinshaus einfach weiterzuverkaufen, funktioniert nicht mehr, man muss wieder viel mehr Arbeit hineinstecken und wie in unserem Fall, über Entwicklung des

oft unter den Baukosten. Bei den hochwertigen Häusern, die wir kaufen, konnte man auch in den besten Zeiten der Niedrigzinsen meist die Kreditkosten nicht mit den Mieteinnahmen decken. Da wir in der Regel sanieren, parifizieren und abverkaufen, zählt am Ende vor allem, dass wir einen soliden und derzeit eigentlich

Wir haben keinen „schlechten Markt“, wir müssen nur ein anderes Geschäftsmodell umsetzen. Jedes Zinshaus einfach weiterzuverkaufen, funktioniert nicht mehr. - Michael Schmidt

Wien | 2024

19

Round Table

wurden, die Preise deutlich stärker zurück- gegangen sind und wir daher dort derzeit stärker engagiert sind. Ich denke, dass diese Entwicklung jetzt bei uns nachgeholt werden wird. Am Ende kann man es nicht anders sagen, als dass nicht Käufer und Verkäufer, sondern die Banken und die EZB den Markt bestimmen werden. Wie lange und wie stark die Schwächephase aus- geprägt sein wird, liegt an der Zinspolitik der EZB und an der Bereitschaft

© Roland Rudolph

der Banken, die Risiken einzugehen, die es nun einmal gibt, wenn man Bankgeschäfte betreibt. Schmidt: Genau deswegen wäre eine stärkere Differenzierung seitens der Ban- ken so wichtig. Es gibt Investoren, deren Geschäft nicht mehr zu sanieren ist. Die werden auch durch die

Hauses und Abverkauf der Wohnungen die Finanzierung rückführen. Das Delta zwischen dem Quadratmeter- preis für das Zinshaus und dem Quadrat- meterpreis, den wir beim Verkauf von Wohnungen derzeit erzielen, ist jedenfalls so hoch wie noch nie zuvor. Objekte mit einem hohen Anteil befristeter Mietver- träge, mit Leerständen und in teuren Lagen auch Ausbaumöglichkeiten kaufen wir daher weiterhin und diese versprechen oft höhere Entwicklungsgewinne als in den Boomzeiten des Markts. Humer: Das stimmt natürlich. Wenn jemand ein ertragsstarkes, realistisches Exitszenario darstellen kann, dann zählt für uns natürlich nicht nur die Mietrendite. Aber gerade dann sind für uns Kriterien wie Track record, Know-how und Bonität eines Investors besonders wichtig. Das klingt mir jetzt aber doch ein wenig zu entspannt. Haben wir die Krise wirklich schon überstanden? Pöltl: Das glaube ich nicht. „Die Talsohle durchschritten“, wie Michael meint, hat der Markt möglicherweise in dem Bereich

der sehr guten und der absoluten Spitzen- lagen, in denen 3SI engagiert ist. Für den breiten Markt der durchschnittlichen und schwächeren Lagen gilt das sicher nicht. Da rechne ich schon damit, dass wir im zweiten Halbjahr noch einige Insolvenzen von Zinshauseigentümern sehen werden, die ihre Finanzierungen nicht bedienen können. Eine Reihe von Investoren, die am Peak des Mark-

bevorstehende Zins- wende nicht gerettet werden können. In solchen Fällen ist es selbstverständlich, dass die Bank die Reißleine zieht. Aber genauso gibt

Eine Reihe von Inves- toren, die am Peak des Marktes gekauft haben, wird unabhängig vom aktuellen Preisniveau verkaufen müssen. - Franz Pöltl

tes gekauft haben, wird unabhängig vom aktuellen Preisniveau verkaufen müssen und in einigen Fällen wird das wohl der Insolvenzver-

es auch an sich gute Immobilien-

unternehmen und In- vestoren mit soliden

walter übernehmen. In diesen Segmenten werden die Preise jedenfalls noch etwas zurückgehen. Tüchler: Das sehe ich genauso. In Öster- reich haben die Banken bisher erstaunlich ruhig reagiert. Ganz anders als in Deutsch- land, wo Kredite viel rigider fällig gestellt

Geschäftsmodellen, die durch den rasanten Zinsanstieg und die durch die KIM-Verordnung mitverursachten Verzögerungen bei der Verwertung in temporäre Probleme geraten. Diese Unternehmen sind zukunftsfähig und man sollte sie unterstützen, aber wenn

© Roland Rudo

20

Zinshausmarktbericht

sie bei jedem Zahlungs- verzug ein schlechteres Rating bekommen und mit höheren Zinsen bestraft werden, werden es auch viele von diesen nicht schaffen. Humer: Die Banken sind durchaus in der Lage und bereit, zu differenzieren und wir suchen auch partnerschaftliche Lösun- gen mit den Kunden. Aber zum einen sind vor allem kleinere Institute, die sich bis 2022 stark im Zinshausgeschäft engagiert haben, oft un- abhängig vom konkreten Einzelfall dringend dazu

© Roland Rudolph

Wohnungen auf den Markt, der Bedarf an zusätzlichem Wohnraum ist gegeben und er ist stark. Eigentlich perfekt für Bestands- objekte? Tüchler: Das ist einfach ein Kostenthema: Bauen bzw. Instandhaltung, Renovierung und Verbesserung sind kaum billiger gewor- den, die Personalkosten sind gestiegen und die Finanzierungskosten haben sich verviel- facht. Das wird durch den Rückgang der Kaufpreise für Zinshäuser nicht kompen- siert. Ein Bauträger kann bei der heutigen Kostensituation fast nicht mehr zu bauen beginnen, denn bei den meisten Projekten bringt schon die Bauträgerkalkulation ein negatives Ergebnis und selbst dann, wenn sich ein Investment wirtschaftlich positiv darstellen lässt, bekommt er in den meisten Fällen keine Finanzierung. Ein Bauträger kann bei der heutigen Kosten- situation fast nicht mehr zu bauen beginnen. - Gerhard Tüchler

Zugegebenermaßen entspricht das nicht immer der wirtschaftlichen Realität und auch ich würde es sehr begrüßen, wenn die Aufsichtsbehörden ihre Regelungen einer sehr kritischen Prüfung unterziehen. Vorhin wurde das attraktive Delta zwischen Wohnungs- und Zinshauspreisen an- gesprochen. Es kommen immer weniger

angehalten, ihre Kreditportfolios in diesem Segment abzubauen, und zum anderen haben sich alle Banken an die die gesetz- lichen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu halten. Wir sind nicht komplett frei in der Entscheidung, wie Kunden zu raten sind, wann ein Kredit als non-performing zu bewerten und wie damit umzugehen ist.

olph

Wien | 2024

21

Round Table

Aber einen Boom wie 2021/22 werden wir lange nicht mehr erleben und war auch nicht mehr normal. Humer: Wenn man auf die Basics sieht, darf man tatsächlich optimistisch sein. Die Nachfrage nach Wohnungen ist da und es wird wenig produziert. Die private Kaufkraft ist weiterhin gut und die realen Einkommen sind zuletzt in fast allen Branchen stark gestie- gen, damit werden auch gestiegene Mieten und Eigentumswohnungen wieder leistbarer. Und

© Roland Rudolph

Schmidt: Wie schon gesagt, bin ich ja durchaus optimistisch, der Wohnungsmarkt ist auf seinem Erholungskurs einfach schon weiter. Ich habe viele Angebote für Woh- nungen in unseren Häusern, was mich sehr zuversichtlich stimmt. Wir haben zuletzt auch bei einem Objekt die Finanzierungs- situation der Käufer erhoben und haben festgestellt, dass weit weniger Hypotheken eingetragen sind als früher, das heißt die Käufer kaufen mit viel mehr Eigenkapital. Es gibt also reichlich Menschen, die kaufen wollen und dies unabhängig von Banken- finanzierungen auch bewerkstelligen können. Diese Kundenschicht gibt es auch bei Zinshauskäufern, beispielsweise den Privatstiftungen, aber irgendwie fehlt noch ein Impuls, um JETZT zu kaufen. Dabei ist wahrscheinlich gerade jetzt die beste Chance, noch an gute Objekte zu kommen. Wenn dann wieder alle kaufen, ist es zu spät. Wollen wir abschließend noch einen gemeinsamen Blick in die Kristallkugel werfen: Wo wird der Zinshausmarkt in drei Jahren stehen? Dort, wo wir heute sind, den Bach hinuntergegangen oder zurück in alter Stärke?

Tüchler: Die Assetklasse Zinshaus hat definitiv eine gesicherte Zukunft und in drei Jahren werden die Preise wieder höher sein. Aber ich bleibe dabei: Alles hängt an der EZB und den Banken. Wenn auch die kurzfristigen Zinsen sinken und die Banken wieder Investments und Entwicklungen

das wird sich auch im Zinshausmarkt widerspiegeln.

Pöltl: Für eine Zeitspanne von zwei oder drei Jahren bin ich mit Prognosen vorsich- tig. Aber der Immobilienmarkt ist und bleibt stark zyklisch. Eher

finanzieren, dann wird es wieder aufwärts gehen. Schmidt: Das sehe ich genauso und ich glaube, dass der erste

Wenn man auf die Basics sieht, darf man tatsächlich optimistisch sein. - Gerhard Humer

traue ich mich vorher- zusagen, dass wir beim nächsten zyklischen Hoch – in etwa in zehn Jahren – wieder einen Markt haben, in dem

man sich darüber wundert, wie billig alles noch vor wenigen Jahren war. Es wird viel mehr Kaufinteresse als Objekte geben und jeder glaubt zu wissen, dass es weiter bergaufgehen wird – also eigentlich das gleiche Szenario, wie wir es aus 2021 und 2022 kennen.

EZB-Zinsschritt nach unten psychologisch eine weit größere Wirkung haben wird als 0,25 oder 0,5 Prozentpunkte weniger an realer Ersparnis bei den Finanzierungs- kosten bringen. Es wird das Kaufsignal sein, und die Investoren, die sich derzeit nur umschauen, werden dann tatsäch- lich zu kaufen beginnen. Ich denke, der Euribor wird schon 2025 etwa bei 2,5 Prozent stehen, die Zinshauspreise werden signifikant höher sein als jetzt und es wird wieder deutlich mehr Transaktionen geben.

22

Zinshausmarktbericht

© Roland Rudolph

Personen im Gespräch

Gerhard Humer

Michael Schmidt

Leiter Immobilienprojekt- finanzierung, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich

Geschäftsführender Gesellschafter der 3SI Immogroup

Franz Pöltl

Gerhard Tüchler

Geschäftsführender Gesellschafter der EHL Investment Consulting

Geschäftsführer der Tecto Immobiliengruppe

Wien | 2024

23

Referenzen

Vermittelte Zinshäuser

Kärntner Straße 12, 1010 Wien

Schubertring 9–11, 1010 Wien

Dieses 1875 erbaute Eck-Zins- haus in der Kärtner Straße 12 punktet nicht nur durch sein prächtiges Aussehen, sondern auch durch seine exklusive Innenstadtlage.

Der Christinenhof an der Ring- straße, erbaut 1863–65 von Ludwig Zettl, ist ein freistehen- der, frühhistorischer Wohnhof mit architektonisch gestalte- tem Innenhof.

Nutzfläche

ca. 3.550 m²

Nutzfläche

ca. 9.445 m²

Schreyvogelgasse 2, 1010 Wien

Franz-Josefs-Kai 27, 1010 Wien

Das imposante, im Jahre 1894 erbaute, Eck-Zinshaus liegt im Herzen Wiens und ist mit seiner prominenten Lage Be- standteil der Wiener Stadtge- schichte.

Das 1899 erbaute und direkt am Franz-Josefs-Kai gelegene Zinshaus, befindet sich einer der begehrtesten Lagen des 1. Bezirks in Wien.

Nutzfläche

ca. 3.424 m²

Nutzfläche

ca. 3.508 m²

Favoritenstraße 39, 1040 Wien

Mariahilfer Straße 3, 1060 Wien

Dieses 1890 vom Architekt Carl Holzmann erbaute Eck- Zinshaus orientiert sich weit- gehend an den Konzepten des strengen Historismus.

Neungeschoßiges Zinshaus aus der späten Gründerzeit, direkt an Österreichs längster Einkaufsstraße und in unmittel- barer Nähe zur Wiener Innen- stadt gelegen.

Nutzfläche

ca. 2.582 m²

Nutzfläche

ca. 2.772 m²

24

Zinshausmarktbericht

Page 1 Page 2 Page 3 Page 4 Page 5 Page 6 Page 7 Page 8 Page 9 Page 10 Page 11 Page 12 Page 13 Page 14 Page 15 Page 16 Page 17 Page 18 Page 19 Page 20 Page 21 Page 22 Page 23 Page 24 Page 25 Page 26 Page 27 Page 28 Page 29 Page 30 Page 31 Page 32 Page 33 Page 34 Page 35 Page 36 Page 37 Page 38 Page 39 Page 40 Page 41 Page 42 Page 43 Page 44 Page 45 Page 46 Page 47 Page 48 Page 49 Page 50 Page 51 Page 52 Page 53 Page 54 Page 55 Page 56 Page 57 Page 58 Page 59 Page 60 Page 61 Page 62 Page 63 Page 64

www.ehl.at

Powered by