SIGNA-Insolvenz: Viele Schlagzeilen, überschaubare Folgen
Interview: Internationale Trends in der Wiener Innenstadt
Frau Dubreu, die schwierige Situation des Einzelhandels scheint am Luxussegment spurlos vorüberzugehen. Sehen Sie ange- sichts globaler wirtschaftlicher Unsicher- heiten auch mögliche Auswirkungen auf den europäischen Luxusmarkt? Bis vor kurzem war der Luxusmarkt sehr stabil, was sich in konstanten oder sogar leicht steigenden Mieten widerspiegelte. Aufgrund der globalen wirtschaftlichen Unsicherheiten, insbesondere der in China beobachteten Abschwächung, könnte sich jedoch die Frage stellen, ob und wie diese Entwicklung den europä- ischen Luxusmarkt beeinflussen wird. Dennoch sehen wir weiterhin eine starke Nachfrage nach Luxusflächen in europäi- schen Premiumlagen, besonders von den etablierten internationalen Luxusmarken. Welchen Stellenwert hat Wien im globalen, vor allem im europäischen Vergleich als Einzelhandelsdestination im Topsegment? Was sind die Stärken und die Schwächen der Stadt? Mit welchen anderen Metropolen spielt Wien in etwa in einer Liga? Wien steht immer auf der „Wunschliste“ vieler internationaler Marken. Besonders in der Innenstadt fällt mir bei meinen Be- suchen die beeindruckend hohe Passan- tenfrequenz auf. Hier spielt Wien in einer Liga mit anderen führenden Städten wie Rom, Mailand, Barcelona und München. Wien hat eine tolle Auswahl an Hotels, sowie ein reiches kulturelles Angebot. Allerdings wird die hohe Passantenfre- quenz stark von Touristen geprägt, was sowohl als Stärke als auch als potenzielle Schwäche gesehen werden kann. Trotz
dieser touristischen Prägung zieht Wien dank seiner wirtschaftlichen Vitalität wei- terhin neue internationale Investoren und Marken an. Zudem stärkt der städtische Revitalisierungsplan den Einzelhandels- markt. Ein weiterer starker Indikator für Wiens Attraktivität ist die Kaufkraft: Österreich belegt im EU-27-Vergleich Platz 4 im Ranking der Kaufkraft, was die starke Po- sitionierung Wiens als Einzelhandelsdesti- nation in Europa zusätzlich untermauert. Sie analysieren laufend die globalen Trends, die die führenden Einzelhan- delsstandorte der Welt prägen. Gibt es internationale Entwicklungen, die in den kommenden Jahren auch die Destination Wien wesentlich verändern werden? Eine wichtige internationale Entwicklung ist die zunehmende physische Präsenz von führenden E-Commerce-Marken. Diese Unternehmen planen immer häu- figer, stationäre Geschäfte zu eröffnen, um neue Märkte zu testen, was mögli- cherweise zu flexibleren Mietvertragsmo- dellen führen könnte. Ein weiterer Trend, der auch in Wien an Bedeutung gewinnen könnte, sind neue Konzepte im Bereich Second-Hand und nachhaltiger Konsum. Wie sehen Sie die Entwicklung von Ge- schäftsflächen für Top- und Luxusmarken in den kommenden Jahren: Werden Flags- hip-Stores ihre Attraktivität behalten? Wird die verstärkte Flächennachfrage primär von bereits etablierten Labels kommen oder werden eher neue Marken den Markt betreten?
Hier sehe ich bei allen drei Ansätzen eine parallele Entwicklungen. Einerseits nutzen bekannte Luxusmarken ihre Flagship-Stores, um ihre Position am Markt zu festigen. Andererseits sehen wir auch, dass neue Marken Flags- hip-Stores als Möglichkeit nutzen, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Ein gutes Beispiel dafür ist Tesla, das durch seine Stores stark an Markenbekanntheit gewonnen hat. Auch Marken wie Zara und Uniqlo betrachten ihre Geschäfte als wichtigen Werbeträger, wobei besonders die Schaufenster als zentrales Kommu- nikationsmittel mit ihren Zielgruppen dienen. Ein weiterer Trend ist das perfekte Mul- tichanneling, wie es Marken wie Polène umsetzen, die sowohl auf Online-Präsenz als auch auf Flagship-Stores in Top-Lagen setzen. Dabei muss ein Flagship-Store nicht zwangsläufig eine große Fläche haben – viel wichtiger ist, dass er ein Erlebnisort ist, der die Marke und den Kunden emotional miteinander verbindet. Flagship-Stores werden weiterhin ein fester Bestandteil des Einzelhandels sein, solange sie den Kunden einen Mehrwert bieten und die Authentizität der Marke fördern. Eine spannende Entwicklung sehe ich in der zunehmenden Integration von Community- und Erlebniskonzepten. Marken wie Coach New York setzen bei- spielsweise auf „Play Shophouses“ oder Café-Konzepte. Andere, wie NIO oder Lynk&Co, integrieren Co-Working-Plätze in ihre Stores und schaffen so Orte der Begegnung für ihre Community.
Die Insolvenz der Immobilien- und Einzelhandels- gruppe SIGNA war zweifellos die spektakulärste Pleite der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Ihre Auswirkungen auf den Markt für Einzelhandels- immobilien in Österreich blieben – im Gegensatz zu Deutschland – recht überschaubar bzw. beschränkten sich auf die unmittelbare Umgebung von SIGNA-Objekten.
Schon die Insolvenz der KikaLeiner-Gruppe unmittelbar nach ihrem Verkauf durch SIGNA in der ersten Jahreshälfte 2023
möglicherweise dazu führen, dass unschö- ne Bauzäune das Einkaufserlebnis noch lange beeinträchtigen.
machen könnte, nach dem kürzlichen Kauf durch die Stumpf Development GmbH noch ungewiss - die Entwicklung des Projekts bleibt jedenfalls spannend. Keinerlei Aus- wirkungen sind hingegen beim Goldenen Quartier zu verzeichnen. Dieses ist bestens vermietet und nach wie vor eine Topadresse für Luxuslabels auf der Suche nach einem Standort in Österreich. Auch ein über kurz oder lang anstehender Eigentümerwechsel wird daran wohl nichts ändern. Nicht ohne Herausforderungen präsentiert sich die Vermietungssituation beim wichtigsten Objekt in der SIGNA-Heimat Tirol, dem Kaufhaus Tyrol. Der für 2025 anstehende Auszug des Frequenzbringers Media Markt steht zwar in keinem Zusam- menhang mit der SIGNA-Insolvenz, wird die Verwertung des an sich gut funktionieren- den Kaufhauses aber deutlich erschweren.
hatte nur geringe Folgen, da die Filialen entweder weiterbetrieben oder rasch neu genutzt werden konnten. Zum Zeitpunkt der ersten Insolvenzen im SIGNA-Konzern selbst verfügte dieser dann nur noch über drei große Einzelhandelsinvestments in Österreich, darunter das Entwicklungsprojekt Lamarr in der Mariahilfer Straße. Die Probleme
Die Probleme rund um das Kaufhaus- projekt Lamarr, bei dem es Anfang 2024 zu einem Baustopp gekommen ist, stellen eine Belastung für den gesamten Straßenzug dar, da sie möglicherweise dazu führen, dass unschöne Bauzäune das Einkaufser- lebnis noch lange beeinträchtigen.
Nathalie Dubreu
rund um das Kaufhausprojekt Lamarr, bei dem es Anfang 2024 zu einem Baustopp gekommen ist, stellen eine Belastung für den gesamten Straßenzug dar, da sie
Vor allem aber ist die Perspektive, dass das ehrgeizig angelegte Prestigeprojekt die Mariahilfer Straße zu einer Art zweitem Luxusstandort neben dem Goldenen U
European Retail Leasing Coordination Senior Director BNP Paribas Real Estate
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Geschäftsflächenbericht
Österreich | 2024/25
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